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Edikt von Potsdam (8. November 1685)

Edikt von Potsdam (8. November 16851)

1 Chur-Brandenburgisches
2Edict,
3Betreffend
4Diejenige Rechte, Privilegia und andere
5Wolthaten, welche zu
6 denen Evangelisch-Reformirten Frantzö-
7sischer Nation, so sich in Ihren Landen nieder-
8lassen werden, daselbst zu verstatten gnä-
9digst entschlossen seyn.

10Geben zu , den 29. Octob. [er] 1685.

11 a Wir
12von Gottes Gnaden Marggraf
13zu , des
14 Ertz-Cammerer und Chur-Fürst,
15in , zu , , ,
16 , , , der Cassuben
17und Wenden, auch in , zu
18und Hertzog, Burggraf zu
19 , Fürst zu ,
20und , Graff zu , der
21 und , Herr zu
22 und der Lande
23 etc. Thun kund und geben Männiglichen
24hiemit zu wissen: Nachdem die harten Verfolgun-
25gen und rigoureusen proceduren, womit man eine
26zeithero in dem wider Unsere
27der Evangelisch-Reformirten Religion zugethane
28 Glaubens-Genossen verfahren, viel Familien veran-
29lasset, ihren Stab zu versetzen und aus selbigem
30 hinweg in andere Lande sich zu begeben, daß
31Wir dannenher aus gerechten Mitleiden, welches Wir
32mit solchen Unsern wegen des heiligen Evangelii und
33dessen reiner Lehre angefochtenen und bedrengeten
34Glaubens-Genossen billig haben müssen, bewogen
35werden, vermittels dieses von Uns eigenhändig un-
36terschriebenen Edicts denenselben eine sichere und freye
37retraite in alle Unsere Lande und Provincien in Gna-
38den zu offeriren und ihnen dabeneben kund zu thun,
39was für Gerechtigkeiten, Freyheiten und Praerogati-
40ven Wir ihnen zu concediren gnädigst gesonnen seyn,
41umb dadurch die grosse Noth und Trübsal, womit
42es dem Allerhöchsten nach seinem allein weisen uner-
43forschlichen b Rath gefallen, einen so ansehnlichen Theil
44seiner Kirche heimzusuchen, auf einige Weise zu sub-
45leviren und erträglicher zu machen.

461.

47Damit alle diejenige, welche sich in Unsern Lan-
48den niederzulassen resolviren werden, desto mehrere
49Bequemligkeit haben mögen, umb dahin zugelan-
50gen und überzukommen, so haben Wir Unserm En-
51voyé extraordinaire bey denen Herren General Sta-
52ten
der , dem und
53Unserm Commissario in
54anbefohlen, allen denen Frantzösischen Leuten von der
55 Religion, welche sich bey ihnen angeben werden, Schif-
56fe und andere Nothwendigkeiten zu verschaffen, umb
57sie und die ihrige aus bis nach
58zu transportiren, allwo Unser Hoff-Rath und Resident
59im Cräyse, der , ih-
60nen ferner alle facilität und gute Gelegenheit an Hand
61geben wird, deren sie werden benöthiget seyn, umb
62an Ort und Stelle, welche sie in Unsern Landen zu ih -
63rem établissement erwählen werden, zu gelangen.

642.

65So viel diejenige anbetrifft, welche über
66aus , und aus
67denen nach Mittag belegenen Frantzösischen Provin-
68cien, ohne durch zu gehen, nach Unsern Lan-
69den sich werden begeben wollen; selbige haben ihren
70Weg auf zu nehmen und sich
71daselbst bey Unserm Rath und Residenten
72oder auch zu am bey Unserm Agenten
73 anzugeben, gestalt Wir denn denenselben bey-
74derseits anbefohlen, ihnen mit Gelde, Passeporten und
75Schiffen beforderlich zu seyn und sie den hin-
76unter biß in Unser fort zuschaffen,
77woselbst Unsere Regierung Sorge tragen wird, damit
78sie entweder in Unsern und Landen
79établiret oder, da sie weiter in andere Unsere Provinci-
80en zu gehen willens, mit aller deßfalls erforderten
81Nothdurfft versehen werden mögen.

82 3.

83Weilen Unsere Lande nicht allein mit allen zu des
84Lebens Unterhalt erforderten Nothwendigkeiten wol
85und reichlich versehen, sondern auch zu établirung al-
86lerhand Manufacturen, Handel und Wandels zu Was-
87ser und zu Lande sehr bequem, als stellen Wir denen, die
88darinn sich werden setzen wollen, allerdings frey, den -
89jenigen Ort, welchen sie in Unserm ,
90den Graffschafften und , Fürsten-
91thümern und oder auch in dem
92 ,
93 und Hertzogthumern und
94zu ihrer Profession und Lebens-Art am bequemsten
95finden werden, zu erwählen; Und gleich wie Wir da -
96für halten, daß in gedachter Unserer
97 die Städte , ,
98, und und in dem
99 die Städte ,
100 und , wie auch in die Stadt
101, so wol deßhalb, weil daselbst sehr wolfeil zu le-
102ben, als auch wegen der allda sich befindenden faci-
103lität zur Nahrung und Gewerb vor sie am bequem-
104sten seyn werden, Als haben Wir die Anstalt ma-
105chen lassen, befehlen auch hiemit und Krafft dieses, so
106bald einige von erwehnten Evangelisch-Reformirten
107Frantzösischen Leuten daselbst ankommen werden, daß
108alßdan dieselbe wol auffgenommen und zu allem dem,
109 so zu ihrem établissement nöthig, ihnen aller Müg-
110ligkeit nach verholffen werden soll; Wobey Wir
111gleichwol ihrer freyen Wahl anheim geben, auch son-
112sten ausser oberwehnten Städten alle und jede Orte
113in Unsern Provincien zu ihrem établissement zu er-
114wählen, welche sie in Ansehung ihrer Profession und
115Hanthierung vor sich am bequemsten erachten werden.

1164.

117Diejenige Mobilien, auch Kauffmanns- und an-
118dere Waaren, welche sie bey ihrer Ankunfft mit sich brin-
119gen werden, sollen von allen Auflagen, Zoll, Licen-
120ten und andern dergleichen Imposten, sie mögen Nah-
121men haben wie sie wollen, gäntzlich befreyet seyn und
122damit in keinerley Weise beleget werden.

1235.

124Daferne in denen Städten, Flecken und Dörf-
125fern, wo mehrgedachte Leute von der Religion sich
126niederlassen und ihr domicilium constituiren werden,
127einige verfallene, wüste und ruinirte Häuser verhan-
128den, deren Proprietarii nicht des Vermögens wären,
129dieselbe wieder anzurichten und in guten baulichen
130Stand zu setzen, so wollen Wir selbige gedachten Un-
131sern Frantzösischen Glaubens-Genossen für sie, ihre
132Erben und Erbens-Erben eigenthümlich anweisen und
133eingeben, dabey auch dahin sehen lassen, daß die vo-
134rigen Proprietarii wegen des Werths sothaner Häu-
135ser befridiget und selbige von allen oneribus, hypo-
136thequen, Contributions-Resten und allen andern der-
137gleichen Schulden, welche vorhin darauff gehafftet,
138gäntzlich liberiret und frey gemachet werden sollen.
139Gestalt Wir ihnen denn auch Holtz, Kalck und andere
140materialien, deren sie zu reparirung dergleichen wü-
141sten Häuser benöthiget, unentgeltlich anschaffen las-
142sen und ihnen eine Sechs-Jährige Immunität von
143allen Auflagen, Einquartierungen und andern oneri-
144bus publicis, wie selbige Nahmen haben mögen, ver-
145statten, auch die Verfügung machen wollen, daß deren
146Einwohner nichts als die blosse Consumptions-Acci-
147se wärender solcher Sechs-Jährigen Freyheit davon
148abzutragen haben sollen.

149 6.

150In denjenigen Städten und andern Orten, wo-
151selbst sich einige wüste Plätze und Stellen befinden,
152wollen Wir gleicher gestalt die Versehung thun, daß
153dieselbe samt allen dazugehörigen Gärten, Wiesen,
154Ackern und Weiden gedachten Unsern Evangelisch-Re-
155formirten Glaubens-Genossen Frantzösischer Nation
156nicht allein erb- und eigenthümlich eingeräumet, son-
157dern auch daß dieselbe von allen oneribus und Be-
158schwerden, welche sonst darauf gehafftet, gäntzlich li-
159beriret und loß gemachet werden sollen, gestalt Wir
160denn auch diejenige materialien, deren gedachte Leute zu
161Bebauung dieser Plätze bedürffen werden, ihnen ohn-
162entgeltlich anschaffen und die von ihnen neu-erbaue-
163te Häuser sampt deren Einwohnern in denen ersten
164zehen Jahren mit keinen oneribus ausser der obange-
165regten Consumtions-Accise belegen lassen wollen. Und
166weilen Wir auch gnädigst gemeynet seyn, alle mügliche
167facilität beyzutragen, damit gedachte Unsere Glau-
168bens-Genossen in Unsern Landen untergebracht und
169établiret werden mögen, Als haben Wir denen Ma-
170gistraten und andern Bedienten in erwehnten Unsern
171Provincien gnädigsten Befehl ertheilen lassen, in einer
172jeden Stadt gewisse Häuser zu miethen, worin gedach-
173te Frantzösische Leute bey ihrer Ankunfft aufgenom-
174men, auch die Haußmiethe davon für sie und ihre Fa-
175milien 4 Jahr lang bezahlet werden soll, Jedoch mit
176der Bedingung, daß sie diejenige Plätze, welche ihnen
177auff obberührte conditiones werden angewiesen werden,
178mit der Zeit zu bebauen ihnen angelegen seyn lassen.

1797.

180So bald sich obgedachte Unsere Evangelisch-
181Reformirte Glaubens-Genossen Frantzösischer Na-
182tion in einer Stadt oder Flecken niedergelassen, sol-
183len ihnen die daselbst hergebrachte iura civitatis & o-
184pificiorum ohnentgeltlich und ohne Erlegung eini-
185ger Ungelder concediret und eben die beneficia,
186Rechte und Gerechtigkeiten verstattet und einge-
187räumet werden, deren andere Unsere an solchen Or-
188ten wohnende und gebohrne Unterthanen genies-
189sen und fähig seyn. Allermassen Wir sie denn auch
190 von dem so genanten Droit d’Aubaine und anderen der-
191gleichen Beschwerden, womit die Frembde in andern Kö-
192nigreichen, Landen und Republiquen beleget zu werden
193pflegen, gäntzlich befreyet, auch durchgehends auf glei-
194che Art und Weise wie Unsere eigene angehörige Unter-
195thanen gehalten und tractiret wissen wollen.

1968.

197Diejenige, welche einige Manufacturen von Tuch,
198Stoffen, Hüten oder was sonsten ihre Profession mit sich
199bringet, anzurichten willens seyn, wollen Wir nicht al-
200lein mit allen deßfals verlangeten Freyheiten, Privilegiis
201und Begnadigungen versehen, sondern auch dahin be-
202dacht seyn und die Anstalt machen, daß ihnen auch mit
203Gelde und andern Nothwendigkeiten, deren sie zu Fort-
204setzung ihres Vorhabens bedürffen werden, so viel müg-
205lich assistiret und an Hand gegangen werden sol.

2069.

207Denen, so sich auf dem Lande setzen und mit dem Ak-
208kerbau werden ernehren wollen, soll ein gewiß Stück Lan-
209des uhrbar zu machen angewiesen und ihnen alles das-
210jenige, so sie im Anfang zu ihrer Einrichtung werden nö-
211thig haben, gereichet, auch sonst überall ebener gestalt be-
212gegnet und fortgeholffen werden, wie es mit verschiede-
213nen Familien, so sich aus der in Unsere Lande be-
214geben und darinnen niedergelassen, bis anhero gehalten
215worden.

21610.

217So viel die Jurisdiction und Entscheidung der zwi-
218schen offt gedachten Frantzösischen Familien sich ereigen-
219der Irrungen und Streitigkeiten betrifft, da sind Wir gnä-
220digst zu frieden und bewilligen hiemit, daß in denen Städ-
221ten, woselbst verschiedene Frantzösische Familien verhan-
222den, dieselbe jemand ihres Mittels erwählen mögen, wel-
223cher bemächtiget seyn sol, dergleichen differentien, ohne
224einige Weitläufftigkeit, in der Güte zu vergleichen und ab
225zuthun.
226Daferne aber solche Irrungen unter Teutschen an
227einer und Frantzösischen Leuten anderer Seite sich ereug-
228nen, so sollen selbige durch den Magistrat eines jeden Orts
229und diejenige, welche die Frantzösische Nation zu ihrem
230Schieds-Richter erwählen wird, zugleich und gesamter
231Hand untersuchet und summariter zu Recht entschieden
232und erörtert werden, welches denn auch als dann stat ha-
233ben soll, wann die unter Frantzosen allein vorfallende
234differentien dergestalt, wie oben erwehnet, in der Güte
235nicht beygeleget und verglichen werden können.

23611.

237In einer jeden Stadt wollen Wir gedachten Unsern
238Frantzösischen Glaubens-Genossen einen besondern Pre-
239diger halten, auch einen bequemen Ort anweisen lassen,
240woselbst das exercitium Religionis Reformatae in Frantzö-
241sischer Sprache und der Gottesdienst mit eben denen
242Gebräuchen und Ceremonien gehalten werden sol, wie
243es bißanhero bey den Evangelisch-Reformirten Kirchen
244in bräuchlich gewesen.

24512.

246Gleichwie auch diejenige von der Frantzösischen Nob-
247lesse, welche sich biß anher unter Unsere Protection und
248in Unsere Dienste begeben, eben der Ehre, Dignitäten und
249Praerogativen als andere Unsere Adeliche Unterthanen
250geniessen, Wir auch deren verschiedene zu den vornehm-
251sten Chargen und Ehren-Aemptern an Unserm Hoffe
252wie auch bey Unserer Miliz würcklich employret, Also
253sind Wir auch gnädigst geneigt, ebenmäßige Gnade und
254Beforderung denen Frantzösischen von Adel, so sich ins
255künfftige in Unsern Landen werden setzen wollen, zu er-
256weisen, und sie zu allen Chargen, Bedienungen und Di-
257gnitäten, wozu sie capabel werden befunden werden, zu
258admittiren, gestalt denn auch dieselbe, wann sie einige
259Lehen- und andere Adeliche-Güter in Unsern Landen er-
260kauffen und an sich bringen, dabey eben der Rechte,
261Gerechtigkeiten, Freyheiten und Immunitäten, deren an-
262dere Unsere angebohrne Unterthanen geniessen, sich glei-
263cher gestalt in allewege zuerfreuen haben sollen.

26413.

265Alle Rechte, Privilegia und andere Wolthaten, de-
266ren in obstehenden Puncten und Articulen erwehnet wor-
267den, sollen nicht allein denen, so von nun an ins Künfftige
268in Unsern Landen anlangen werden, sondern auch den-
269jenigen zu gut kommen, welche vor publication dieses E-
270dicts der bißanherigen Religions-Verfolgungen halber
271aus entwichen und in gedachte Unsere Lan-
272de sich retiriret haben; die aber, so der Römisch-Catholi-
273schen c Religion zugethan, haben sich deren in keinerley
274weise anzumassen.

275 14.

276In allen und jeden Unsern Landen und Provincien
277wollen Wir gewisse Commissarien bestellen lassen, zu
278welchen offtgedachte Frantzösische Leute so wol bey ih-
279rer Ankunfft als auch nachgehends ihre Zuflucht neh-
280men und bey denenselben Rath und Beystandes sich er-
281hohlen sollen, Inmassen Wir denn auch allen Unsern
282Stathaltern, Regierungen, auch andern Bedienten und
283Befehlshabern, in Städten und auf dem Lande, in al-
284len Unsern Provincien, so wol vermittels dieses Unseres
285offenen Edicts als auch durch absonderliche Verord-
286nungen, gnädigst und ernstlich anbefehlen wollen, daß sie
287offterwehnte Unsere Evangelisch-Reformirte Glaubens-
288Genossen Frantzösischer Nation, so viel sich derer in Un-
289sern Landen einfinden werden, sammt und sonders unter
290ihren absonderlichen Schutz und protection nehmen, bey
291allen oberwehnten ihnen gnädigst concedirten Privile-
292giis sie nachdrücklich mainteniren und handhaben, auch
293keinesweges zugeben sollen, daß ihnen das geringste U-
294bel, Unrecht oder Verdruß zugefüget, sondern vielmehr
295im Gegentheil alle Hülffe, Freundschafft, Liebes und Gu-
296tes erweisen werden. Urkundlich haben Wir dieses E-
297dict eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Gna-
298den-Siegel bedrucken lassen. So geschehen zu
299, den 29. Octobr. [er] 1685.

300 .


Textapparat

a Im Druck als A2r bezeichnet.
b Korrigiert aus: unerforschlichem.
c Korrigiert aus: Römisch-Catholilischen.

Sachliche Anmerkungen

1 Das Edikt ist nach dem julianischen Kalender, der in Brandenburg-Preußen bis 1700 noch in Gebrauch war, auf den 29. Oktober 1685 datiert (vgl. unten ), was nach gregorianischem Kalender dem 8. November entspricht.