Religiöse Friedenswahrung und Friedensstiftung in Europa (1500-1800): Digitale Quellenedition frühneuzeitlicher Religionsfrieden

Patente di gratia di Pinerolo (18. August 1655)


Text

Patente di gratia di Pinerolo (18. August 1655)

1 [Seite: A1r] Irenico-Polemographia
2Sive
3Theatri Europaei
4continuati
5septennium:
6Das ist,
7Sieben-Jährige
8Historisch-außgeführte
9Friedens- und Kriegs-
10Beschreibung
11Von den denckwürdigsten Geschichten, so sich hie und da in Europa,
12als in Hoch- und Nider-Teutschland, Franckreich, Hispanien, Portugall, Italien,
13Dalmatia, Candia, England, Schott- und Irrland, Dänemarck, Norwegen, Schweden, Polen,
14Moscau, Schlesien, Böhmen, Ober- und Nider-Oesterreich, Hungarn, Siebenbürgen, Wallachey,
15Moldau, Türck- und Barbarey etc. So wol im Weltlichen Regiment als Kriegs-Wesen vom Jahr Christi 1651 biß an be--
16vorstehende Wahl und respectivè Regierung des Allerdurchleucht- und Großmächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn
17LEOPOLDEN dieses Namens des Ersten, erwehlten Römischen Keysers etc., Beydes zu Wasser
18und Land begeben und zugetragen.
19So
20Auß vielen glaubhafften Scripturen, Documenten und treulich mitgetheilten
21Briefflichen Urkunden zusammen getragen und unpartheyisch
22beschrieben
23Johannes Georgius Schleder,
24gebürtig in Regenspurg.
25Mit etlich hoher Potentaten, Chur-Fürsten, Grafen, Herren, Kriegs-Generalen
26und Obristen Bildnussen außgeziert,
27Dabenebenst einige fürnehme militarische Actionen, Schlachten, Beläg- und Eroberungen etc.,
28auch andere denckwürdige Sachen in deutlichen Kupfern vor Augen ge--
29stellt und verlegt
30durch
31Weyl[and] Matthaei Merians seel[igen] Erben
32in Franckfurt am Mayn.
33Getruckt bey Daniel Fievet,
34Anno M.DC.LXIII.

[Seite: 841] [...]

35Carl Emanuel von Gottes Gnaden
36Hertzog von Saphoy, Printz von Piemont,
37König von Cypern etc.

38a Es geziemet einem guten und tapfern Fürsten
39nicht allein, die Gewalt der Feinde durch Krafft
40der Waffen abzuhalten und zu dämpfen, die un--
41gehorsamen Unterthanen durch scharpfe Straf--
42fen zur Schuldigkeit anzuweisen, sondern auch,
43Wercke der Gütigkeit mit Sanfftmuth und
44Gnade zu üben gegen die jenige, welche dieselbe
45in Unterthänigkeit begehren und in aller Demuth
46zu desselben Füssen sich niderwerffen und ihre be--
47gangene Gebrechen erkennen.

48Dannhero nachdem die von der praetendirten
49Reformirten Religion, in den dreyen Thälern
50Luserne, S[ankt] Martin und Perouse und in den
51Orten Rocheplatte, S[ankt] Bartholomi und Preru--
52stin
wohnhaft, gegen die Unserigen die Waffen
53ergriffen und sich feindlich der Execution Unser
54Befelchen widersetzet, ob sie wol Unsere höchste
55Ungnade verdienet; Dennoch weiln sie nunmehr
56mit empfindlicher Reu und Leydwesen bezeuget,
57wie leyd es ihnen gewesen und noch seye, daß sie
58durch sothane Ergreiffung der Waffen Unseren
59Befelchen zuwider gehandlet, und deßwegen zu
60Unser Gütigkeit und Gnade Zuflucht genom--
61men und Uns unterthänig gebeten, ihnen zu ver--
62zeihen und ihre begangene Mißhandlungen nach--
63zugeben, sie wieder anzunehmen in Unsere gute
64und völlige Gnade wie imgleichen auch ihnen,
65wie von Unseren Vorfahren geschehen, zu ver--
66gönnen etliche Articulen, betreffend die Ubung
67ihrer Religion; Ihr[er] Allerchristlichsten Maj[estät] dem
68Unüberwindlichen König in Franckreich etc. auch
69beliebet, durch den Herrn Servient, seinen Ordi--
70nari Reichs-Hof-Rath und an Unserm Hofe
71Ordinari Residirenden Ambassadeurn verschie-
72denlichen anzubringen und zu werben, daß Wir
73Uns möchten gefallen lassen, Oberwehnte wieder--
74umb in Unsere Gnade uff- und anzunehmen.
75Damit Wir dann für aller Welt bezeugen, mit
76wie grosser innerlicher Liebe und Zuneygung
77Wir unsern Unterthanen zugethan, wann sie
78 [Seite: 842] nur sich nit entfernen von irer schuldigen Gehor--
79samkeit, und wie hoch wir halten daz Zwischenspre--
80chen I[hrer] Maj[estät] zu sonderbaren Ehren, so wir derosel-
81ben schuldig seyn, durch Gegenwärtiges mit Un--
82serm guten Wissen, auß volkommner Macht und
83Oberen-Hochheit, auf Vorbitte Unserer Kön[iglichen] Frau
84Mutter
, worauf wir allzeit sehr viel gehalten, und
85durch Gutfindung Unsers Raths Uns gebrau--
86chende Unserer höchstzustehenden Gnade:

87I.

88Wir bekräfftigen obgemeldten denen der prae-
89tendirten Reformirten Religionsverwandten die
90Gnade, so wir ihnen ertheilet in denen Rescriptis
91vom 2. und 4. Jun[ii], auch vom 29. Decemb[ris] Anno
921653; nach deren Form und Inhalt verleihen wir
93inen völlige Amnestie alles dessen, so vorgangen,
94begnadigen und verzeihen inen, worinnen sie un--
95sern Befelchen zuwider gethan, und entbinden sie
96wegen aller Verbrechen, so Anfangs und währen--
97der dieser Unruhe verübet; Wir heben auf alle Con--
98fiscation und Einziehung der Güter, Proceß, Ur--
99theil und Erklärung der Straffe an Gut und Leib
100und alles, waz sonsten geschehen, wodurch ins gemein
101oder ins besonder sie möchten beunruhiget werden,
102so wol die Cathol[ischen], welche bey diesen letzten Händlen
103gewesen, als auch andere, benantlich Jean Leger,
104Isaac Lepreux und Jean Michelin Predigere / wie
105auch alle andere, gegen welche man hätte mögen
106oder hinfüro können mit Rechte verfahren, wegen
107dessen, was vorgangen; mit eingeschlossen so wol
108alle unsere Unterthanen als Frembde, weß Stan--
109des oder auß was Lande die auch seyn mögen, so
110da mit Hülffe, Beforderung oder Rath denen von
111besagter Religion seyn beygestanden, Und verbie--
112ten allen und jeden unsers Raths, Richtern, Be--
113dienten und Beampten, Oberkeiten und Fisca--
114len, welchen obliegen möchte, inen einige Beschwer--
115lichkeit zuzufügen wegen besagter That und was
116deme anhängig, Wie wir sie dann wiederumb stel--
117len in ihren vorigen Stand und ruhiges Wesen
118und in unsere gute Gnade und nehmen sie in un--
119sern Schutz und Schirm wie vorhin.

120II.

121Jedoch sollen die von gemeldter praetendirten
122Reformirten Religion verlassen die Wohnungen
123und Gütere, so sie hätten an denen Orten jenseit
124Pelice, und respectivè in ihren Furges, also auch
125in Biance1, damit eingeschlossen Lucernette und
126Fenil wie auch Campiglion und Gezillona; ob sie
127schon vorhin Güter und Wohnungen daselbsten
128gehabt, sollen sie doch hinfüro an bemelten Orten
129und deren Enden keine Wohnungen noch Güter
130mehr haben mögen, noch auch in dem Flecken
131und Ort Luserne. So ist dennoch unsere
132Meynung, ihnen zu vergönnen, massen wir
133auch hiemit ihnen zugeben, wann sie oberwehn--
134ter massen ihre Güter jenseit Pelice verlassen,
135daß sie dieselbe von nun an biß uff Allerheili--
136gen, den 1. Novembr[is], an particuliere Catholi--
137sche verkauffen mögen. Und dieselbe, so gegen
138die Zeit nicht verkaufft sein, wollen wir bahr
139zahlen lassen nach dem Preiß deß Kauffbrief--
140fes, und ob dieselbe nicht vorhanden, soll man
141den Preiß nehmen nach dem Kauff der nechstge--
142legenen Land-Güter, und sollen angeschlagen
143werden durch gute Leute, so von beyden Seiten
144dazu erwählet. Und sollen die Aignere besagter
145Güter derselben so lang geniessen und die Früch--
146te einsamblen, biß so lange der Kauff getroffen.
147Gleichwol sollen die von besagter Religion den
148Genieß und Wohnung der Weinberge von Lu--
149serne gegen Rorata jenseit Pelice behalten, wie
150dieselbe durch gewisse Winckele gelimitiret sol--
151len werden, das ist, daß sie sollen behalten, was sie
152für dieser Unruhe in besagten Weinbergen be--
153schlossen haben, jedoch daß sie daselbsten nicht
154mögen predigen. So sollen sie auch gleichfalls ha--
155ben die Wohnung und Religions-Ubungen in
156den Orten und Gränzen von Rorata, wie dieselbe
157erkläret und begriffen seyn in den vorigen Con--
158cessionibus und nach dem Einhalt.

159III.

160So mögen auch gleichfalls erwehnte der prae--
161tendirten Reformirten Religionsverwandte ne--
162benst den Catholischen wohnen zu S[ankt] Jean, doch
163daß sie daselbst keine Kirchen oder Predigt haben;
164im übrigen mögen sie leben wie hergebracht und
165die vorige Concessiones deßwegen verordnen und
166anweisen. Und zu mehrer Beruhigung so wol der
167Catholischen als deren von der Religion, so an ge--
168meltem Ort wohnen, soll man mit der Theilung
169deß Landes nach Inhalt der Registere besagten
170Orts S[ankt] Jean verfahren, also, daz man den Theil der
171Catholischen vereiniget lasse an die abgesonderte
172Gemeinde mit gesammten Belieben beyder Theile,
173wie man gut findet, daz man darein sich werde ver--
174gleichen können, daß es ohn Schaden eines jedwe--
175dern Erbgut geschehen möge; zu welchem End wir
176einen Deputirten schicken wollen, wann wir
177darumb ersuchet werden.

178IV.

179Was La Tour betrifft, können sie daselbsten
180wiederumb wohnen, wie obgemeldt, und in dessen
181Bezirck ihre Religions-Ubung wie vorhin ha--
182ben und unterhalten.

183V.

184Belangend S[ankt] Second, sollen sie daselbsten kei--
185ne Wohnung haben als an den gewöhnlichen Or--
186ten von Prerustin, S[ankt] Bartholomi, Rocheplatte,
187woselbsten wir zulassen, daß sie die Ubung irer Re--
188ligion haben mögen, wie ihnen solches für dieser
189Unruhe erlaubet war, und daß man verfahre mit
190Absonderung oberwehnter Oerter, nemblich Pre-
191rustin
und S[ankt] Bartholomi und dem Ubrigen von
192S[ankt] Second, auff die Weise, wie im 3. art[ikel] gesagt.
193Was S[ankt] Jean betrifft und Bricheras, sollen da--
194selbsten noch auch auff den Gräntzen die von der
195Religion keine Wohnung haben. Doch vermit--
196tels Zahlung der moderation und Anschlags, so
197gemacht der Gütern, die sie befindlich haben in
198besagter Nachbarschaft, und deß Preises der Gü--
199ter, wovon sie Macht haben, zu disponiren inner--
200halb obvorgeschriebenen Zeit, vorbehalten uns je--
201doch bevor, ihnen weiter zuzulassen die Inhabung
202 [Seite: 843] besagter Güter, auch noch ein mehrers zu verwil--
203ligen nach unserm guten Belieben, wann wir dar--
204über unterthänig ersuchet so wol von den Ober--
205wehnten als von den Catholischen, und wir es
206uns dienlich befinden werden.

207VI.

208Und weiln wir uns berichten lassen, daz der Scha--
209de, so entstanden durch erwehnte Unruhe, dermas--
210sen beschaffen, daß sie schwerlich die gemeinen Uff--
211lagen, so über das übrige Land gesetzt, ins künffti--
212ge vor einige Zeit zahlen können; Als erlassen wir
213sie gnädig wegen aller Landzinsen, so fällig auff
214die nächste fünff Jahr, damit unter begriffen,
215was noch nachständig von jetztlauffendem Jahr,
216nebenst Erklärung, daß für die drey ersten Jahr
2171656, 1657 und 1658 sie befreyet sollen seyn nicht
218allein von dem Winterquartier, Unterhalts Gel--
219dern, Einquartierungen, Kornspächten und Lie--
220ferung, sondern auch selbsten von dem Anschlage
221der Landzinse; und in den zweyen folgenden Jah--
222ren 1659, 1660 sollen sie derselben Begnadigung
223in allem geniessen, außgenommen deß Anschlags, so
224sie sollen zahlen in zweyen Jahren, und wann die--
225selbe verflossen, sollen sie alle Landzinsen zahlen nach
226proportion deß gantzen Landes. Gleichfals schen--
227cken wir inen den Nachstand von den vorigen Jah--
228ren, so noch nicht geassignirt seyn; und was sie son--
229sten an besondere Leute schuldig seyn, deßfalls ge--
230ben wir inen Frist, in dem nächstkommenden Jahre
231zu zahlen, doch daß sie die Zinß von 6 Monden ent--
232richten, Zeit angesetzter Frist, die wir männiglich,
233dem es zustehen möchte, verbieten, sie deßfalls uff
234einige Weise zu beunruhigen.

235VII.

236Wir lassen inen auch zu das freye Exercitium
237ihrer Religion und Freyheit deß Gewissens an
238allen Orten, so in vorigen Concessionibus be--
239griffen, welche hiedurch weder geschmälert noch
240erweitert sollen verstanden werden.

241IIX.

242Wir lassen zu und wollen drob die Hand hal--
243ten lassen, daß in allen unsern andern Herrschaften
244inen sey zugelassen freyer Handel und Wandel
245und Macht zu kauffen und verkauffen, waz es auch
246sey, außgenommen ligende Güter; zu handelen,
247Buchhalten und freye Kauffmanschaft treiben
248eben so wol als andere unsere Unterthanen, son--
249der daß sie sollen mögen untersucht werden wegen
250ihrer Religion, von was Obrigkeit es auch sey, so
251wol geistlicher als weltlicher, außgenommen, daß
252sie häußlich sich nicht niederlassen an besagten Or-
253ten noch sich daselbsten setzen.

254IX.

255Demnach wir uns erklärt und verordnet haben,
256daß in allen unseren Ländern die heilige Messe solle
257gehalten und daselbsten die andern Kirchengebräu--
258che nach Römischer Weise verrichtet werden; auch
259an denen Orten, so erwehnten Unterthanen der
260praetendirten Reformirten Religion so wol für
261die Wohnung allein als für das Exercitium oder
262offentliche Ubung seyn zugelassen; nachdeme wir
263unterthänigst ersucht worden, daß wir uns bedie--
264nen und von unsern Unterthanen, Weltlichen
265oder Geistlichen, Priester verordnen möchten, oh--
266ne dazu zugebrauchen frembde Patres Missiona--
267rios, welche, wie sie sehr verhasset seyn unter dem
268gemeinen Volck, also leichtlich etwas darauß ent--
269stehen köndte, wodurch die gemeine Ruhe zerstöret
270werde, So erklären wir uns, daß wir dazu nemen
271wollen von unsern Geistlichen seculiren oder re--
272guliren Unterthanen, wie wir solches am besten
273werden befinden, und wollen die Hand daran hal--
274ten, daß Personen dazu verordnet werden sollen,
275darüber man sich mit fug nicht habe zu beschweren.
276Und wann die heilige Messe gehalten wird, sollen
277die von erwehnter Religion nicht gehalten seyn,
278derselben beyzuwohnen, vielweniger dazu zusteu--
279ren; jedoch sollen sie weder offentlich noch heim--
280lich einiger massen dieselbe verhindern.

281X.

282Es soll weder durch uns noch unsere Bediente
283denen von den dreyen Valéen oder Thälern, wel--
284che von Anfang dieser Unruhe biß zu der Vollnzieh--
285ung deß Vergleichs ire Religion abgeschworen,
286kein Verdruß zugefügt werden, wann sie der Frey--
287heit irer Gewissen wollen gebrauchen, und sollen
288ohngeachtet irer Abschwerung und Verheissung
289als Abgefallene nicht getractiret werden.

290XI.

291Die Gefangene ein und andere Seit, Weiber und
292Kinder mit eingeschlossen, an was Ort sie seyn in
293unsern Ländern, sollen ohne Entgelt in Freyheit
294gesetzt werden, sobald sie angemeldet seyn.

295XII.

296Gleichfalls sollen Oberwehnte von der Reli--
297gion zu deren gemeinen Bedienungen und Aem--
298ptern verstattet werden, wie solches enthalten in
299den Urkunden vom 9. April[is] 1603 und in dem 3.
300artic[ulus] der Urkund vom 4. Jun[ii] 1655.

301XIII.

302Wir bekräfftigen die Begnadigung, so der Ge--
303meine von la Tour gegeben, daß sie daselbsten ei--
304nen freyen Marckt haben mögen, und wollen noth--
305wendige Verordnung deßfalls verfügen, damit
306dieselbe bestättiget werde in unser Cammer.

307XIV.

308Wir wollen, daß in obgemeldten Orten die
309rechtmässige Erbfolge unterm Schein der Reli--
310gion nicht gebrochen oder verhindert werde.

311XV.

312Niemand von erwehnter Religion soll gezwun--
313gen werden, die Römisch-Cathol[ische] Religion anzu--
314nehmen, noch auch die Kinder ihren Eltern abge--
315nommen werden, biß die Knäblein 12, die Mägd--
316lein das 10. Jahr erreichet.

317XVI.

318Damit kein Hindernuß beschehe, der Warheit
319Zeugnuß zugeben, so verordnen wir, daß, so ein
320Catholischer Wissenschaft hat einiger derer von d[er]
321Religion angehörigen Sachen, soll derselbe nicht
322gehindert werden, so wol inn- als ausserhalb Ge--
323richts davon zu zeugen. Gleichfalls verbieten wir,
324daz niemand besagter Religion mit Schmähwor--
325ten beschimpffet noch verspottet werden solle.

326XVII.

327Wir bekräftigen die Freyheiten, Privilegien und
328 [Seite: 844] Praerogativen, so vor diesen denen drey Valléen
329oder Thälern und andern Obgemeldten erlau--
330bet, gleich wie sie vor diesem respectivè ihnen er--
331theilet und bekräfftiget seyn, und verordnet, daß
332sie aufs Neue nach Inhalt der vorigen sollen be--
333kräfftiget werden.

334XVIII.

335Im Fall, daß die Professoren oder Pastoren
336peinlicher Sachen halben vorgefordert werden
337müssen, ordnen wir, daz sie in der ersten und andern
338Instanz den Untergerichten unterworffen seyn
339wie andere besondere Personen in erwehnten Val--
340léen, und daß sie nicht alsbald rectà für unser ho--
341he Gerichte sollen gecitiret werden, außgenom--
342men in dergleichen Fällen, da man auch gegen an--
343dere besondere Personen kan verfahren.

344XIX.

345Von oberwehntem Schade der Confiscation
346soll außbedungen seyn der Weg und Theil der
347abgebrochenen Häuser eines jeglichen Orts, so da
348nötig und dannenhero von uns erwählet zu Er--
349bauung einer Kirchen und Hauses, worinn das
350Exercitium der Catholischen Religion soll ver--
351übet werden; welche Wege sollen allerseits ange--
352wiesen werden innerhalb 14 Tagen, nachdeme die
353Deputirten verordnet und der Vergleich außge-
354fertigt; Es wäre dann, daß sie lieber zugeben wol--
355ten, daß die alte Wege der verwüsteten Catholi--
356schen Kirchen wieder erstattet werden.

357XX.

358Demnach ordnen wir allen unsern Obrigkei--
359ten, Bedienten und Beampten, daß sie halten und
360schaffen, daß unterhalten werden alle diese Pun--
361cten nach deren Form und Inhalt. Insonderheit
362befehlen wir unsern Obrigkeiten, Rath und Cam--
363mer, daß sie dieselbe bewilligen und einzeichnen
364ohne Zahlung einiger Ungelder, auff daß sie ewig
365und unverletzlich gehalten werden, mit Beding,
366daß die Oberwehnte von der praetendirten Refor--
367mirten Religion dasselbe, so in diesem gegenwär--
368tigen ist erkläret und uffgerichtet, halten und sich
369dem schuldigen Gehorsam nicht entziehen. Dann
370diß ist unsere Meynung. Geben 1655. am [...]b Au--
371gusti.


Textapparat

a Am äußeren Rand: Abschrifft deß Vergleichs, zwischen Hertzog Carl Emanueln von Saphoyen etc. eines und den Waldensern in den Piemontischen Thälern andern theils aufgericht.
b An dieser Stelle befindet sich eine Lücke im Druck. Im italienischen Text wird das Dokument auf den 18. August datiert (vgl. Art. 20 im italienischen Text des Gnadenpatents).

Sachliche Anmerkungen

1 Gemeint ist offenbar Bibiana, vgl. den italienischen Text.

Carlo Emanuele II. di Savoia , duca
weiterführende Informationen
E. de Servient, Seigneur
Anm.: um 1655 Botschafter des französischen Königs Ludwig XIV. in Turin
Marie Christine de France , Herzogin von Savoyen
weiterführende Informationen
Jean Leger
Anm.: um 1655 Waldenserpfarrer im Piemont
weiterführende Informationen
Isaac Lepreux (le Preux)
Anm.: Waldenserpfarrer um 1655 im Piemont
Giovanni Michiellino (Michellino)
Anm.: Waldenserpfarrer im Piemont um 1655
Frankreich, Königreich
weiterführende Informationen
Luserna, Tal (heute: Pellice, Tal)
Germanasca, Tal (früher: San Martino, Tal)
weiterführende Informationen
Chisone, Tal (früher: Perosa, Tal)
weiterführende Informationen
Roccapiatta (existiert heute nicht mehr, es steht nur noch eine Kirche auf dem ehemaligen Ortsgebiet, das heute zur Gemeinde von Prarostino gehört)
Luserna (Ortsteil von Luserna San Giovanni)
San Giovanni (heute Ortsteil der Gemeinde Luserna San Giovanni)