Religiöse Friedenswahrung und Friedensstiftung in Europa (1500-1800): Digitale Quellenedition frühneuzeitlicher Religionsfrieden

Neumarkter Landtagsabschied (31. Dezember 1551)


Text

Neumarkter Landtagsabschied (31. Dezember 1551)
[Blatt: 144r]

1Articuli dominorum Regnicolarumregnicolarum in Geneꝛaligenerali
2eorum Congꝛegacionecongregacione in Zekel Wasarhel1
3pꝛopro festo circumcisionisa D[omi]ni Annoanno eiusde[m]
4 15522 constituti


5·i·I. Quoniam a certis iam annis varie inter nos
6dissensiones pꝛopterpropter religionem orte fuerant,3
7vtut autem eas vnouno consensu sedare possimus,
8opere precium fore uisumvisum est nobis, ut inpꝛimisinprimis
9quicquam de ipsa concludeꝛemusconcluderemus,.

102. Conclusum est, ut, quemadmodum antea adhuc
11viuentiviventi condam R[everendissi]mor[everendissi]mo D[omino]d[omino] Episcopoepiscopo Waradien[si]4
12conclusum erat,5 ita nunc quoq[ue] quilibet6 in
13fide sua ipsi a deo data et concessa7 permaneat,
14ne alter ab alteꝛoaltero preuiaprevia racione infestetur;

15quod autem Ill[ustrissi]musill[ustrissi]mus D[ominus]d[ominus] Joannes bap[tis]taBap[tis]ta caſtaldusCastaldus
16etc. hanc constitucionem Regniregni appꝛobaꝛeapprobare
17dignet[ur] Rogantrogant D[omi]nid[omi]ni Regnicoleregnicole,.8

183. Item conclusum est, ut ciuescives ciuitatiscivitatis coloswarien[sis]Coloswarien[sis]9,
19fratꝛesfratres oꝛdinisordinis sanctoru[m] patrum francisciFrancisci et
20dominiciDominici in priorem eorum locum ingredi
21libeꝛelibere paciantur, nec amplius tale quid
22sinistꝛisinistri citra constitucionem regni temptaꝛetemptare
23contendant.10 Nam aliqui nolunt D[omini]d[omini] Regnicoleregnicole
24in hys com[m]issis uelvel com[m]iten[dis] errorib[us] associaꝛiassociari.

[...]


Textapparat

a Korrigiert aus: circuncisionis.

Sachliche Anmerkungen

1 Ungarische Bezeichnung für Neumarkt am Mieresch (Târgu-Mureş).
2 Das Fest der Beschneidung des Herrn wird am 1. Januar gefeiert. Gemeint ist hier also der 31.12.1551.
3 Zur Ausbreitung der Reformation in Siebenbürgen vgl. die Einleitung.
4 Gemeint ist der Bischof von Großwardein Georg Utiešenović, genannt Martinuzzi, der am 17.12.1551 auf Befehl Johann Castaldos ermordet worden war (vgl. die Einleitung).
5 Gemeint ist der heute verschollene Thorenburger Landtagsabschied vom 23.6.1550. Zu diesem vgl. die Einleitung.
6 Es ist nicht ganz klar, ob hier die einzelnen Stände (vgl. Binder, Grundlagen, S. 50; Zach, Geschichte, S. 60) oder Einzelpersonen (vgl. Fata, Religionsfrieden, S. 430) gemeint sind. Für die letztgenannte Interpretation sprechen die im obigen Artikel folgende theologische Begründung sowie die vom Landtag für Klausenburg (vgl. unten Art. 3) und Neumarkt (vgl. Art. 16-23 des Thorenburger Landtagsabschieds von 1552) erlassenen Einzelregelungen, die die Rechte religiöser Minderheiten gegenüber lokalen Obrigkeiten zu sichern versuchten.
7 Dass der Glaube nur unmittelbar von Gott selbst gegeben werden kann, wurde von der reformatorischen Theologie betont (vgl. z.B. Luthers Schrift »Von weltlicher Obrigkeit« von 1523 in WA 11, S. 264, Z. 19-23; vgl. auch Binder, Grundlagen, S. 50; Zecherle, Verantwortung, S. 342-345).
8 Wie vom Landtag gewünscht, bestätigte der habsburgische Militärstatthalter Johann Castaldo in einem Schreiben vom 6.1.1552 die beschlossene Regelung. Vgl. die Edition dieses Schreibens in EOE 1, S.  398, Nr. 5,8.
9 Klausenburg (Cluj). In dieser Stadt, in der Siebenbürger Sachsen und Ungarn lebten, wurden die politischen Ämter seit 1458 paritätisch von den beiden Nationen besetzt (vgl. Szegedi, Reformation, S. 80).
10 Die Vertreibung der Mönche ist nicht genau datierbar; sie hatte aber vermutlich in der zweiten Dezemberhälfte 1551 stattgefunden. Das Dominikaner- und wohl auch das Franziskanerkloster waren dabei geplündert worden. Da der Magistrat Klausenburgs den vorliegenden Landtagsbschluss nicht umsetzte, forderte ihn Ferdinand in einem Schreiben vom 7.4.1552 mit großem Nachdruck auf, die Dominikaner unverzüglich zu entschädigen und in ihr Kloster zurückkehren zu lassen (vgl. das Schreiben Ferdinands in Fabritius (Hg.), Oklevelek, S. 675f., Nr. 31; vgl. auch Jakab, Kolozsvár története 2, S. 70f.; Lupescu Makó, Kolostor). Daraufhin durften die Mönche beider Klöster zurückkehren. Am 15.3.1556 wurden sie dann aber endgültig vertrieben (vgl. den Eintrag im Album Oltardianum in Trauschenfels (Hg.), Fundgruben, S.  23; vgl. auch Szegedi, Reformation, S. 81; Lupescu, Ordinis, bes. S. 300).

Bibliographie

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Fabritius, Károly (Hg.), Oklevelek a Magyarországi reformatio korából [Dokumente aus dem Zeitalter der ungarischen Reformation], in: Történelmi Tár (1881) [Digitalisat], S. 242-257, 450-469, 675-690.
Fata, Márta , Der Augsburger Religionsfrieden als Vorbild für die ungarische und siebenbürgische Mehrkonfessionalität?, in: Schilling, Heinz / Smolinsky, Heribert (Hg.), Der Augsburger Religionsfrieden 1555. Wissenschaftliches Symposion aus Anlaß des 450. Jahrestages des Friedensschlusses, Augsburg 21. bis 25. September 2005, Münster 2007 (RST 150), S. 415-437.
Jakab, Elek , Kolozsvár története [Die Geschichte Klausenburgs], Bd. 2, Budapest 1888 [Digitalisat].
Lupescu, Radu , Utriusque ordinis expulsi sunt. Kolozsvár, 1556. március 15, in: Csurgai Horváth, József (Hg.), Az első 300 év Magyarországon és Európában. A Domonkos-rend a középkorban [Die ersten 300 Jahre in Ungarn und Europa. Der Dominikanerorden im Mittelalter], Székesfehérvár 2017, S. 295-303 [Digitalisat].
Lupescu Makó, Mária , Két erdélyi domonkos kolostor a reformáció hajnalán [Zwei siebenbürgische Dominikanerklöster am Anfang der Reformation], in: Romhányi, Beatrix F. / Kendeffy, Gábor (Hg.), Szentírás, hagyomány, reformáció. Teológia- és egyháztörténeti tanulmányok [Heilige Schrift, Tradition, Reformation. Theologie- und kirchengeschichtliche Studien], Budapest 2009, S. 203-223.
Luther, Martin , D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesammtausgabe, Abt. 1: Schriften, Bd. 11: Predigten und Schriften 1523, Weimar 1900.
Szegedi, Edit , Die Reformation in Klausenburg, in: Leppin, Volker / Wien, Ulrich A. (Hg.), Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2005 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 66), S. 77-88.
Szilágyi, Sándor (Hg.), Erdélyi országgyülési emlékek, Bd. 1: 1540-1556, Budapest 1875 (MHH.E) [Digitalisat].
Trauschenfels, Eugen von (Hg.), Deutsche Fundgruben zur Geschichte Siebenbürgens. Neue Folge, Kronstadt 1860 [Digitalisat].
Zach, Krista , Zur Geschichte der Konfessionen in Siebenbürgen im 16. bis 18. Jahrhundert, in: SODA 14/15 1981/82, S. 40-89.
Zecherle, Andreas , Die Verantwortung der Obrigkeit für die Kommunikation des Evangeliums aus der Sicht Luthers und seiner Anhänger. Aspekte der frühen Diskussion im Spannungsfeld von Immediatisierung und Remediatisierung, in: Haberer, Johanna / Hamm, Berndt (Hg.), Medialität, Unmittelbarkeit, Präsenz. Die Nähe des Heils im Verständnis der Reformation, Tübingen 2012 (SMHR 70), S. 339-358.

Ferdinand I., Kaiser
Anm.: Kaiser des Heiligen Römischen Reichs
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Martinuzzi (Utiešenović)Georg
Anm.: Bischof von Großwardein
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Johann Baptista Castaldo
Anm.: Feldherr in den Diensten Ferdinands I. von Österreich
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Franz von Assisi, Heiliger
Anm.: Ordensgründer
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Dominikus, Heiliger
Anm.: Ordensgründer
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Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
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Großwardein, Diözese
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Neumarkt am Mieresch (Târgu-Mureş)
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Siebenbürgen, Fürstentum
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